Damals, Anfang der 90er Jahre, veröffentlichte ein großer italienischer Süßwarenhersteller Sammelsticker der sehr beliebten Comedy-Serie »ALF«, die ich natürlich mit der Leidenschaft und Begeisterung eines Kindes sammelte. Es wurden so viele herrliche Sprüche abgedruckt wie:

»Du bist ganz o.k. für jemand ohne Fell«,
»Wie man isst, so wiegt man« oder
»Ich tue am liebsten gar nichts und wüsste gar nicht, was ich lieber täte«.

Mein absoluter Lieblingspruch aus dieser Serie war jedoch: »Wissen ist Macht. Nichts wissen macht auch nichts.«

Natürlich wirkt das ein wenig pauschalisierend, soll es jedoch nicht sein. Es kommt immer auf die Situation an. Ist es notwendig, immer viel zu wissen? Oder könnte es einstweilen auch genügen, nichts bzw. weniger zu wissen? Seit einer Weile verbessert sich meine Beobachtungsgabe um einiges. Damit versetze ich oftmals ein paar Mitmenschen in Staunen – jedenfalls dann, wenn es sich um eine Gegebenheit handelt, welche eher klein und flüchtig ist und ich sie sofort erwähne. Ein kleines Beispiel:

Neulich saßen mein Kollege und ich für die 15-Uhr-Zigarette draußen, genossen die ersten Sonnenstrahlen und unterhielten uns über Gott und die Welt. Es war schon zu erwarten, dass in den wenigen Minuten unser Chef von einem Außentermin wieder ins Büro zurückkommen würde. So passierte es auch. Wie gewohnt fuhr er recht dynamisch über den Hof. Wir beide schauten zu ihm ins Auto, und während dieser paar Sekunden beobachtete ich eine sehr spezielle Mimik im Gesicht unseres lieben Kollegen, als er so an uns vorbei rauschte. Also sagte ich zu meinem mitrauchenden Kollegen: »Hm, er hat sich jetzt irgendwas gedacht, als er uns gesehen hat, er hat bestimmt einen Kommentar dazu, wie wir hier so sitzen.«
»Wieso?«
»Als er uns gesehen hat, hat er ganz kurz mit der Zungenspitze über seine Lippe geleckt und sich irgendetwas dabei gedacht.«
»Was? Das hast du gesehen? Tanja, du machst mir manchmal Angst.«
»Warten wir mal ab.«

Nur wenige Augenblicke später stieg unser Chef aus dem Auto, kam zu uns, schon mit einem leicht kritischen Blick im Gesicht und sagte: »Ihr Suchtkrüppel.« Da war sie, die Bestätigung. Und so geht es mir sowohl im Arbeits- als auch Privatleben häufig – weshalb ich seit ein paar Monaten auch den Beinamen »Sherlock« trage.

Hier ging es allerdings nur um eine sehr kurze Situation. Da ist es ziemlich einfach, solche Schlussfolgerungen zu ziehen, die dann auch stimmen. Eine kleine Beobachtung in einer kleinen Zeitspanne also. Ob sich dieses Talent auch auf größere Sachverhalte übertragen lässt, lässt sich zur Zeit nicht mit Sicherheit sagen. Denn es erfordert wesentlich mehr Aufmerksamkeit und vor allen Dingen Informationen, um einen detaillierten Blick über ein großes Ganzes zu erhalten. Ich mache das nicht immer und überall – nur dort, wo es von Belang ist. Es gibt durchaus zahlreiche Kontexte, in denen ich mir angewöhnt habe, Äußerungen oder Erläuterungen zwar wahrzunehmen, sie doch nicht in meinem Gedächtnis zu sammeln. Erstens würde das wertvollen Speicherplatz beanspruchen, zweitens birgt es auch immer wieder das Potential, mich selbst zu sehr in die Thematik hineinzuknien. Sprich: Wie fast alles bringt das seine Vor- und Nachteile mit sich. Bezeichnen wir das abschließend einfach als: »Ich sehe mehr als viele andere, ich weiß mehr als ich erzähle und ich denke mehr als ich spreche.« – wenn wir Schreiben dezent außer Acht lassen.

Weiter geht’s. Eine neue Woche wartet!