All die verschiedenen Anteile eines Selbst, meines Selbst – ich höre sie Tag und Nacht. Noch oft genug weiß ich nicht, wer gerade zu mir spricht, mich beschimpft, schlecht macht, klein hält. Die nahezu täglichen Tiraden ermüden; nicht im Sinne von langweilen, sondern von Energie beanspruchen, die manchmal einfach nicht mehr ausreicht, um rational dagegen zu halten.

Eben war ich kurz im Laden bei meiner besten Freundin, weil ich Probleme mit meiner neuen Brillen habe. Ich werde altersweitsichtig, so die ernüchternde als auch amüsante Feststellung. Mit 36 wird es langsam Zeit für eine Gleitsichtbrille. Viel zu früh. Seelisch und moralisch hatte ich mich wie so oft auch auf andere Themen eingestellt, die aufkommen würden. Dass meine Beste nun wieder ein einer Beziehung mit einem Mann ist, das habe ich schon vor ein paar Wochen erfahren. Ich bin froh, dass es ihr gut geht und noch mehr darüber, dass es ihrem kleinen Sohn damit richtig gut geht. Das ist so viel wert.

Ich war also auf neue Details innerhalb dieser Entwicklung vorbereitet. Auch darauf, dass sie mir – obwohl sie weiß, dass mich dieses Thema nicht gerade begeistert – erzählen würde, was es Neues in ihrem Sexleben gibt. Was auch geschah. Die gute Nachricht: Es berührte mich insofern nicht, als dass die Bilder im Kopf verletzte Gefühle auslösten, mein Inneres blieb gelassen. Die weniger schöne Nachricht: Irgendein Teil von mir macht mich trotzdem schlecht. Ich sei nicht gut genug, es nicht wert, ich würde es nicht verdienen usw.

Okay, nun bin ich völlig in einem der eigentlichen Themen, fast losgelöst von allen gegenwärtigen Personen meines Umfelds. Da bin nur ich und meine vielen inneren Kritiker. Einer sagt sogar wieder, es sei an der Zeit zu gehen, ich solle Platz machen, ich hätte hier bzw. in diesem Gesamtkonstrukt Freundschaft nichts mehr verloren. Sie will dich testen, wie du entweder direkt oder kurz darauf reagierst, das denke ich mir gerade. Es ist mir so ziemlich egal, was die Beiden treiben oder auch nicht treiben, das ist ihre Sache. Ich will mich nur nicht furchtbar danach fühlen, weil diese Berichte einfach unangenehme Gefühle in mir auslösen. Gefühle der Wertlosigkeit, des Kleinseins, Traurigkeit eben.

Mittlerweile erreiche ich besser jenen Anteil, der vernünftig reagiert und sagt, nur weil etwas Neues in ihrem Leben kommt, heißt das nicht, dass du jetzt gehen musst. Erinnere dich, dass sie dich in ihrem Leben haben möchte. Dass du ihr als Mensch sehr, sehr wichtig bist. Ja, du bist seit über fünf Jahren Single. Das ist auch in Ordnung und verständlich, wenn du dich manchmal alleine fühlst (*mir kommen gerade die Tränen) und auch manchmal auch gerne wieder jemanden hättest, eine Partnerin, die dich versteht usw. Es braucht eben seine Zeit. Wie lange, weiß niemand so genau. Du möchtest dich erst mit dir selbst anfreunden, besser zu dir selbst sein, um dich dann auf jemand neues einlassen zu können. Das ist auch ok. Du weißt, es ist möglich. Und es wird die Zeit bringen, in der etwas oder jemand neues in dein Leben kommt. Ohne dass etwas oder jemand anderes gehen muss.